Bikesharing – Fluch oder Segen für urbane Mobilität?

Das Prinzip von Bikesharing ist einfach: Jeder kann ein Fahrrad nach Bedarf nutzen, ohne dieses besitzen zu müssen. Für die Dauer der Fahrt wird eine Gebühr eingehoben; die bei Privatfahrrädern üblichen Anschaffungs- und Erhaltungskosten entfallen zur Gänze. Bikesharing wird als ein essentieller Bestandteil des urbanen Transportsystems verstanden und dient als ergänzendes Angebot zum öffentlichen Personennachverkehr, das weltweit immer mehr an Beliebtheit gewinnt. Beliebt vor allem bei der radfreudigen Bevölkerung, die nun auf ein größeres Mobilitätsangebot zugreifen kann. Gab es 2005 erst 17 Bikesharing-Dienste weltweit, sind es heute über 1.600 Anbieter, die insgesamt rund 18 Millionen Fahrräder zum Teilen anbieten. Diese unterscheiden sich vor allem über die Art der Ausleihe, die Rückgabe und den Preis.

Wo und wie man Räder findet

Prinzipiell lassen sich Bikesharing-Systeme in zwei Kategorien einteilen: stations-basiert und stationslos. Bei stations-basiertem Bikesharing, wie es z.B. bei Citybike Wien oder Nextbike der Fall ist, werden Fahrräder an fixen Stationen ausgeliehen und entweder an der gleichen oder einer anderen Station im Servicegebiet zurückgegeben. Der Vorteil ist, dass es für eine gewisse Ordnung im urbanen Umfeld sorgt, da alle Fahrräder an einem definierten Platz abgestellt sind. Diese Standorte sind leicht zu finden und geben somit eine gewisse Sicherheit an einem bestimmten Ort immer Fahrräder entleihen zu können. Hingegen können Leihräder von stationslosen Bikesharing-Systemen im gesamten Servicegebiet ausgeliehen und zurückgegeben werden – das Leihsystem benötigt keine Infrastruktur im öffentlichen Raum. Nutzer müssen ihr Fahrziel somit nicht von einer naheliegenden Rückgabestation abhängig machen, sondern können ihr Leihrad direkt bei ihrem Fahrziel abschließen.

Was man tun muss, wenn man ein Rad gefunden hat

Für das Ausleihen ist vorab eine Registrierung am Terminal, in einer App oder auf der Website des Bikesharing-Anbieters notwendig. Über die Such-Funktion können freie Fahrräder, sowie bei stationsbasiertem Bikesharing auch Rückgabe-Stationen mit freien Stellplätzen, gefunden werden. Direkt nach der Freischaltung kann jeder Nutzer ein Fahrrad leihen. Die Bezahlung erfolgt nach der Rückgabe digital und ist abhängig von der Nutzungsdauer. So ist bei einigen Anbietern in Städten wie Wien, Lyon, Paris oder Barcelona die erste halbe Stunde kostenlos. Danach gibt es gestaffelte Preise­, dabei gilt: je länger die Nutzung, desto höher der Preis. Denn die meisten Bikesharing-Modelle verfolgen das Ziel, mit ihrer Flotte so vielen Bewohnern wie möglich einen zusätzlichen Service für die alltäglichen Wege zu bieten, die meist nicht länger als fünf Kilometer je Strecke sind. Für längere Ausflüge am Wochenende eignen sich Anbieter wie z.B. donkey republic oder nextbike die sich mit einem relativ preiswerten Tages-Maximalpreis in Höhe von rund 14 Euro auszeichnen.

Die Dunkelseite von Bikesharing

Aufgrund der neuesten Generation der stationslosen Bikesharing-Systeme hat es nicht lange gedauert bis Städte und ihre Bewohner die Dunkelseite von Bikesharing kennenlernten: Willkürlich abgestellte Leihräder versperrten Gehwege und Einfahrten, sie lagen am Straßenrand, in Parks oder sogar auf dem Grund von Gewässern. Es entstand vielerorts eine Art „Volkssport“ die Räder unrechtmäßig auf kreativste Art und Weise abzustellen und oft auch zu beschädigen. Der Anbieter ofo (mittlerweile nicht mehr aktiv, Anmerkung, 2020), Betreiber eine Flotte mit mehr als 10 Millionen stationslosen Fahrrädern in über 20 Ländern, führte daraufhin ein Belohnungs- und Malussystem ein. Nutzer erhalten Minuspunkte, wenn diese das Leihrad an keinem straßenverkehrsordnung-konformen Platz abstellen, wie z.B. in Gebäuden, mitten am Gehsteig oder vor Monumenten.

Auch die Städte reagierten. Beispielsweise hat Singapur mit einer neuen Regelung seit März 2018 vor, den Missbrauch von Bikesharing einzudämmen. Insgesamt gibt es dort rund 100.000 Räder von sechs Anbietern. Diese müssen nun von der Land Transport Authority (LTA) lizensiert werden, die ihre Flottengröße basierend auf der Nachfrage und ihrem Verhalten mit wahllos abgestellten Rädern regeln. Bikesharing-Anbieter müssen an die LTA im Gegenzug eine Lizenzgebühr zahlen. Darüber hinaus werden Nutzer für bestimmte Zeit gesperrt, die ihr Fahrrad mehrmals illegal abgestellt haben. Ebenso reagierte Wien mit strengeren Regeln, die mit August 2018 in Kraft treten. Ab dem Zeitpunkt darf die Flottengröße von 1.500 Leihrädern nicht überschritten werden. Beschädigte oder nicht ordnungsgemäß abgestellte Räder müssen innerhalb weniger Stunden entfernt werden.

Fluch oder Segen?

Durch Bikesharing reduziert sich idealerweise die Anzahl an Autos für Arbeitswege bzw. kurze Wegstrecken, was sich positiv auf die Luft- und Lebensqualität in Städten auswirkt. Zudem hat Radfahren natürlich auch gesundheitliche Vorteile. Ebenso zieht die städtische Wirtschaft daraus Vorteile: Arbeits- bzw. Wohnviertel werden aufgewertet, da sie leichter zu erreichen sind. Das kommt lokalen Unternehmen, die sich dort ansiedeln, sowie auch Verbrauchern, die in neuen Gegenden Leistungen konsumieren, zu Gute. Doch wie es die Erfahrungen der letzten Monate bestätigten, sind klare Regelungen für alle Bikesharing-Anbieter nötig, um urbane Mobilität effizient und nachhaltig zu gestalten. Dazu braucht es das Zusammenspiel aller Stakeholder. Städte müssen klare Richtlinien festlegen und gleichzeitig den Zugang für neue Marktteilnehmer erleichtern bzw. verbessern. Auf der anderen Seite sollten Transportanbieter von Beginn an mit Städten enger zusammenarbeiten, damit das vorhandene Mobilitätsangebot einer Region positiv durch neue Anbieter ergänzt wird. Zuletzt braucht es auch Verhaltensrichtlinien oder auch Anreize für Konsumenten, damit diese verantwortungsvoll mit neuen Mobilitätsangeboten umgehen.

Kurz gesagt: Bikesharing kann sowohl Fluch als auch Segen für Städte sein. Was es für jede Stadt selbst ist, können diese sehr wohl beeinflussen.

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